China ist wirtschaftlich auf Augenhöhe mit den USA. Die Handelskonflikte mit Washington haben Bestrebungen nach Eigenständigkeit in Peking befördert: Die chinesische Regierung versucht, durch die neue Wirtschaftspolitik der „Zwei Kreisläufe“ Importabhängigkeiten und Exportorientierung zu reduzieren.
Die US-Regierung unter Joe Biden befreit die Konfrontation mit China von Polemik und versucht die Beziehungen zu reparieren. Nach dem Klimagipfel in Paris 2015 wurden in Glasgow 2021 neue Kooperationsmöglichkeiten vereinbart. Gleichzeitig hat Präsident Biden ein deutliches Signal gesandt, als er als ersten ausländischen Regierungschef im April 2021 im Weißen Haus den japanischen Premierminister Yoshihide Suga empfing. Wie bereits Präsident Barack Obama fokussiert er die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik auf den Westpazifik und stellt die Bedeutung der demokratischen Verbündeten in der Region, Japan und Südkorea, heraus. In der Handelspolitik werfen die USA und andere westliche Staaten China weiterhin vor, den Marktzugang zu erschweren, ausländische Firmen in China zu benachteiligen und Produktschutz- und Eigentumsrechte zu verletzen.
Daher bleibt der Ton aus Peking unversöhnlich. Noch dazu ist die Volksrepublik China inzwischen in einer Machtposition, die es der Pekinger Regierung erlaubt, sich gegen die westliche Dominanz in der internationalen Politik zu stellen und eine Reform internationaler Prozesse und Institutionen zu fordern. Peking kritisiert Washingtons Allianzen und Bündnissysteme und grundsätzlich die westliche Interventionspolitik. Die neuen amerikanischen Verteidigungsinitiativen Quad (mit Australien, Japan und Indien) und das trilaterale Militärbündnis AUKUS (mit Australien und Großbritannien) sorgen für Misstrauen in der Volksrepublik. Peking strebt globalen Einfluss an, einschließlich in den Polargebieten.
Außenpolitik hat auch immer innenpolitische Dimensionen. Nationale, nationalistische und neo-linke, also neo-kommunistische Stimmen müssen zumindest berücksichtigt werden. Im Kern geht es um die Sicherung der Herrschaft der Kommunistischen Partei, die in der Vergangenheit bemerkenswerte Lern- und Anpassungsfähigkeit bewiesen hat. Dazu soll die Außenpolitik dadurch beitragen, dass sie die Bedingungen für weiteres Wirtschaftswachstum sichert.
Keine Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas
Zu den Grundlagen von Chinas Außen- und Sicherheitspolitik zählen der Schutz der nationalen Souveränität und territorialen Integrität, eine unabhängige, eigenständige Außenpolitik, der gegenseitige Verzicht auf Aggression und Einmischung in die inneren Angelegenheiten sowie Gleichberechtigung und gegenseitiger Nutzen. Die Staats- und Parteiführung lehnt jede wahrgenommene Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas ab, insbesondere in Bezug auf die Grenzregionen und die Minderheitenpolitik.
Autorin
Saskia Hieber
ist Dozentin für Internationale Politik Asien an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing.Tatsächlich entwickelt sich die Volksrepublik China von einer Wirtschaftsmacht zu einem globalen Investor und einer politischen und militärischen Supermacht mit Ambitionen auch im Weltraum. Das Ziel ist eine Hightech-Macht, die über starke Mechanismen verfügt, Wirtschaft und Gesellschaft zu regulieren und so die Herrschaft der Kommunistischen Partei zu sichern. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen und Investitionsprogramme sollen China eine Führungsrolle in zukunftsorientierter Hochtechnologie verschaffen.
Mehrdimensionale Seidenstraßenpolitik
Die Belt and Road Initiative (BRI), im Westen missverständlich auch neue Seidenstraße genannt, ist ein globales Infrastruktur-Investitionsprogramm, das China mit den Wirtschaftszentren und Rohstoffproduzenten der Welt verbinden soll. Der „Belt“, der Gürtel, stellt die Landwege dar, die „Road“, die Straße, die Seeverkehrswege. Ein Ziel ist die eigene Versorgungssicherheit, ein anderes die Vergrößerung des chinesischen Einflusses durch weltweiten Infrastrukturausbau. Die maritime Seidenstraße soll auch Einfluss im Südchinesischen Meer sichern. Die BRI schafft Handelskorridore und Kommunikationsnetze. Es geht nicht nur um Häfen, Eisenbahnlinien und Straßen, sondern auch um das Gold der Zukunft: Daten.
Die Seidenstraßenpolitik ist mehrdimensional angelegt. Handelsrouten und Schifffahrtswege verbinden China quasi horizontal mit der Welt. Die Rohstoffproduktion, quasi vertikal unter der Erde und dem Meeresboden, bildet die zweite Dimension. Als dritte kann man Chinas Engagement in Kommunikationstechnik und Weltraumnutzung betrachten. Zusätzlich gibt es Initiativen, die eigene Währung zu einer Alternative zum US-Dollar am Kapitalmarkt und im Zahlungsverkehr zu machen, insbesondere im Rohstoffhandel.
Der Sonderfall Taiwan
Einer der gefährlichsten Konflikte mit Beteiligung Chinas betrifft Taiwan. Auf der Insel lebt die nach Zusammenbruch des Kaiserreichs 1911 gegründete Republik China fort; die Volksrepublik China wurde nach dem ...
China nutzt Investitionslücken und strategische Nischen – etwa in den bevölkerungsreichen und vom Westen vernachlässigten Regionen Afrikas und Südasiens. Sie haben neben Krisenrisiken auch Wachstumspotenzial. Kritisiert wird die BRI unter anderem mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, ökologische und soziale Gesichtspunkte, Vergabe der Projekte und Zukunftsfähigkeit. Überdimensionierte Kraftwerke, leere Häfen und Brücken ohne Anbindung sind Beispiele für Fehlplanungen. Schwächere Volkswirtschaften sind mit der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte überfordert und können in Schuldenfallen geraten.
In Chinas Außenpolitik ist bei all dem eine regionale Differenzierung zu beobachten. Die Volksrepublik ist einer der größten Flächenstaaten, der vom Pazifik bis zu den Gebirgen Zentralasiens reicht. Die Beziehungen zu einigen Nachbarstaaten sind angespannt, insbesondere zu Japan und Indien. Zusätzlich hat China mit Nordkorea einen schwer zu berechnenden und verarmten Nuklearstaat als unmittelbaren Nachbarn.
Streit über das Südchinesische Meer
Peking kann seine Interessen in Zentral- und Südostasien eher durchsetzen. Hier versucht China, mit Investitionen und wirtschaftlicher Kooperation, beispielsweise mit der Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (RCEP), ein den eigenen Interessen förderliches Umfeld zu schaffen. Gleichzeitig übt die chinesische Regierung Druck aus, um strategische und wirtschaftspolitische Interessen durchzusetzen, beispielsweise im Rahmen der BRI. Auch die Wirtschaftskorridore durch Pakistan und Myanmar dienen nicht nur dem entwicklungspolitischen und infrastrukturtechnischen Aufbau der Nachbarländer, sondern auch dem Zugang zu Rohstoffen, zum Indischen Ozean und einer Alternative zum Schiffstransport durch die Straße von Malakka. Innenpolitische Spannungen, Proteste und Finanzierungsprobleme in den Partnerländern allerdings bremsen chinesische Ambitionen. Auch die Entwicklungen in Myanmar seit dem Militärputsch am 1. Februar 2021 laufen Pekinger Grundsatzinteressen nach Stabilität und wirtschaftlicher Entwicklung entgegen.
Belastet wird das Verhältnis zu einigen südostasiatischen Staaten aber vom Streit über das Südchinesische Meer. Das ist nach Ansicht Pekings chinesisches Gebiet, inklusive der Wasserfläche und aller Riffe und kleinen Inseln. In diesem Meer überlappen sich die Gebietsansprüche der Anrainer China, Vietnam, Malaysia, Brunei und Philippinen insbesondere im südlichen Teil um die Spratly-Inseln.
Es handelt sich um internationale Gewässer, in denen die Freiheit der Navigation und jederzeitige Durchfahrt zu sichern sind. Laut internationalem Seerecht können Anrainer jedoch Anspruch auf eine exklusive Wirtschaftszone über 200 Seemeilen erheben – ausgehend von der Küste des Festlandes oder aber von den vom betreffenden Staat beanspruchten Inseln, falls diese eine gewisse Größe haben und auf ihnen menschliches Leben und wirtschaftliches Handeln ganzjährig möglich sind. Riffe, Sandbänke und Atolle gehören nicht dazu. Die Volksrepublik China hat aber solche kleinen Strukturen zu Inseln mit Landebahnen, Tiefseehäfen und Militärbasen ausgebaut und sendet regelmäßig Schiffe und Flugzeuge in die Hoheitsgebiete der Nachbarstaaten.
Wenig Hoffnung auf eine friedliche Einigung
Das Südchinesische Meer gilt als strategischer Flaschenhals: Ein Großteil der kommerziellen Schifffahrt und der Rohölexporte aus dem Persischen Golf passiert es. Die großen Volkswirtschaften Ostasiens sind abhängig von Energieimporten. Das Seegebiet hat zudem reiche Fischbestände und insbesondere im südlichen Teil Öl- und Gasvorkommen. Außerdem ist die tropische Inselwelt das Ziel geplanter Investitionen in den Tourismus.
Es gibt wenig Hoffnung auf eine friedliche Einigung. Peking wird mit Verweis auf die Verteidigung der territorialen Souveränität seine Gebietsgewinne nicht aufgeben. Zusätzlich hat China entlang strategischer Seeverkehrswege Versorgungsstützpunkte und militärische Installationen geschaffen.
China unter Xi Jinping wird nicht mehr automatisch westlichen Politikmechanismen folgen, sondern strebt ein neues internationales System mit chinesischen Charakteristika an. Alle Länder sollten dem Aufbau eines neuen Typs internationaler Beziehungen folgen, der chinesische Vorstellungen von Großmachtdiplomatie umsetzt. Offiziell wird die außenpolitische Devise einer multipolaren Weltordnung, die das unterstellte amerikanische Streben nach alleiniger Vorherrschaft ausbalancieren soll, weiter verkündet. Tatsächlich steht die internationale Gemeinschaft angesichts der strategischen Irrelevanz Europas und der handelspolitischen Schwäche Russlands aber einer neuen Bipolarität gegenüber.
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